„Mit dem Begriff Heimat holt man viele Menschen ab"
Heimatbund und trafo:agrar diskutieren mit Gästen über die Zukunft im Oldenburger Münsterland
Vechta. „Heimat hat Zukunft! Oder?“ Unter diesem prägnanten Titel luden am Dienstag (3. September) der Heimatbund für das Oldenburger Münsterland und der Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) zu einer gemeinsamen Tagung in die Aula der Universität Vechta. Selbstgestecktes Ziel der Veranstalter war die Auseinandersetzung mit der einstigen Erfolgsgeschichte der Region: Kann das Oldenburger Münsterland im aktuellen Transformationsprozess immer noch „vom Armenhaus zur Boomregion“?
Zählen Disziplin, Handschlag, Glaube und Zusammenhalt noch etwas? Und müssen wir uns im Kontext aktueller politischer Entwicklungen – und mit Blick auf die jüngsten Landtagswahlen – Sorgen um unsere Demokratie machen? Bevor Antworten auf diese Fragen gegeben werden konnten, begrüßten die Präsidentin der Universität, Prof. Dr. Verena Pietzner, Heimatbund-Geschäftsführerin Gisela Lünnemann und Dr. Barbara Grabkowsky, Leiterin von trafo:agrar, gemeinsam die mehr als 150 Interessierten im Auditorium. Gisela Lünnemann erläuterte, wie es zur Zusammenarbeit der beiden Institutionen gekommen war: Kennengelernt habe man sich auf dem Münsterlandtag 2023 in Damme, Dr. Grabkowsky nahm dort an der Podiumsdiskussion zum Thema „Klimawandel als gesellschaftlich Herausforderung“ teil. Schnell sei man übereingekommen, gemeinsam etwas zur Transformation im ländlichen Raum auf die Beine stellen zu wollen. Die Universität biete dafür einen unabhängigen Diskursraum, so Grabkowsky.
Im ersten Teil der Veranstaltung bat Moderator Dr. Johannes Wilking, selbst ein „Kind der Region“, Protagonisten aus verschiedenen Handlungsbereichen zu sich auf die Bühne. Neben Landrat Tobias Gerdesmeyer und Manuela Honkomp, ehemalige Bürgermeisterin der Gemeinde Steinfeld und seit 2023 Präsidentin des Heimatbundes, gaben auch Bernd Meerpohl (Big Dutchman AG), Landwirtin Anita Lucassen (Milchhof Lucassen) und Sven Guericke (AEF Nord-West) kurze Impulse zum Tagungsthema. Dabei wurden die jeweiligen Schwerpunkte ganz unterschiedlich gesetzt: Während Anita Lucassen den Grund für die Erfolgsgeschichte des Oldenburger Münsterlandes vor allem in einer Mischung aus „unternehmerischem Mut“ und „pragmatischen Behörden“ sah, legte Manuela Honkomp ihren Fokus auf Identität, Stabilität und gesellschaftliche Verantwortung. "Wir müssen den Zusammenhalt in unserer Region wieder mehr stärken – hin zu einer "Wir-Gesellschaft", wünschte sie sich. Sich für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft einzusetzen, das sei auch eine Aufgabe des Heimatbundes gemeinsam mit allen Akteuren der Gesellschaft, so die Präsidentin. Einig war man sich darin, dass der Begriff „Heimat“ ständig weiterentwickelt werden müsse. So definiere er sich laut einer von Bernd Meerpohl zitierten Umfrage unter Jugendlichen inzwischen unter anderem über „da, wo W-Lan ist“ und beinhaltet für Landrat Gerdesmeyers Kinder auch die Lieblingsdönerbude. Anschließend lud Wilking in einem zweiten Teil weitere Gäste zu einem Gespräch über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven für den ländlichen Raum. Dr. Gabriele Diersen (Kompetenzzentrum Regionales Lernen, Universität Vechta), Stephanie Barlage (OM Zukunftsmacherin 2024), Jannis Fughe (Bundesvorsitzender der KLJB), Dr. Justus Böckmann (Böckmann Fahrzeuge GmbH) und Pfarrer Heiner Zumdohme (St. Viktor Damme) diskutierten über die identitätsstiftende Bedeutung der großen Volksfeste in der Region, über Fachkräftemangel und neue Arbeitsmodelle, sowie über Möglichkeiten, Bildungseinrichtungen mit dem Heimatbegriff zu verknüpfen.
Abschließend wagten Manuela Honkomp und Dr. Barbara Grabkowsky einen kurzen Ausblick auf künftige Veranstaltungen und den weiteren Dialog mit den Akteuren in der Region. Vor allem auch junge Menschen möchten die Initiatoren künftig einbinden, etwa in Zukunftswerkstätten und Workshops, in denen Schülerinnen und Schüler Visionen für das „Morgen“ des Oldenburger Münsterlandes erarbeiten. Denn, so Dr. Barbara Grabkowsky zum Abschluss: „Zukunft geht nur gemeinsam.“