Neues zur Situation der Heuerleute im Oldenburger Münsterland - Engelbert Beckermann referierte beim „Historischen Nachmittag“ des Heimatbundes in Mühlen
Wie es den Heuerleuten im Oldenburger Münsterland in den letzten beiden Jahrhunderten ergangen ist, hat die Historiker bisher kaum interessiert. Der Blick der Forschung richtete sich vor allem auf die Massenauswanderung von Südoldenburgern in die USA, nach Kanada und Brasilien. Grund genug für Engelbert Beckermann aus Lohne, sich seit längerer Zeit intensiv mit der Bevölkerungslage vor Ort zu beschäftigen.
Jetzt präsentierte der frühere Leiter des Gymnasiums Lohne seine aus umfangreichen Archivforschungen gewonnenen Erkenntnisse vor großem Publikum beim 338. Historischen Nachmittag des Heimatbund-Geschichtsausschusses. Rund 60 Interessierte waren dazu in den Saal Krogmann in Mühlen gekommen, nachdem zuvor Alfons Völkerding die eigens für Heuerleute eingerichtete Seefahrerschule von 1817 gezeigt hatte. Mühlen sei ein sehr passender Ort für einen Vortrag zu diesem Thema, stellte daher der Vorsitzende des Heimatbund-Geschichtsausschusses Prof. Dr. Michael Hirschfeld (Vechta) auch im Hinblick auf die hohe Dichte an Heuerlingen im Südkreis Vechta in seiner Begrüßung fest. Die Grüße der verhinderten Heimatbund-Präsidentin Manuela Honkomp überbrachte der Direktor des Museumsdorfs Cloppenburg Dr. Torsten W. Müller. Wie Oberstudiendirektor Beckermann in seinem Vortrag eingangs betonte, hätten abgehende Bauernsöhne durch Heuerlingsstellen, Heimarbeit und Saisonarbeit, so etwa als Seefahrer, ein erträgliches Auskommen gehabt. Durch fehlenden Bedarf an Heim- und Saisonarbeit sowie Bevölkerungswachstum seien sie jedoch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verarmt. Der oldenburgische Staat habe dann vor und nach dem Ersten Weltkrieg eine fortschrittliche Siedlungspolitik betrieben und einen Landeskulturfonds eingerichtet, der als Alternative zur Auswanderung die Ansiedlung auf Heideflächen vorwiegend im heutigen Nordkreis Cloppenburg ermöglicht habe. Mit dem allgemeinen Wahlrecht der Weimarer Reichsverfassung 1919 hätten die Heuerleute innerhalb der katholischen Zentrumspartei politischen Einfluss gewonnen und mehrere Abgeordnete aus ihren Reihen in den oldenburgischen Landtag geschickt. Einen Höhepunkt der Selbstbehauptung sah Beckermann in der Gründung einer Interessenvertretung sowie einer Genossenschaftsbank in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, die aber kurz vor Hitlers „Machtergreifung“ Konkurs anmelden musste, was aus Sicht des Referenten dazu beigetragen haben dürfte, Hemmschwellen gegenüber dem Nationalsozialismus abzubauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei innerhalb von nur 15 Jahren die gesellschaftliche Schicht der Heuerleute komplett verschwunden. Dieser schnelle soziale Wandel bedürfe ebenso wie die Geschichte des Heuerleutewesens im Oldenburger Münsterland insgesamt einer gezielten Aufarbeitung, schloss Engelbert Beckermann seinen von interessierten Nachfragen aus dem Publikum begleiteten Vortrag.